Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz: die SDGs 13, 14 und 15

Ein Gast­bei­trag von Ste­fan Schmied, M. Sc. Umweltwissenschaften

Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz (ANK):
Was man für eine erfolgreiche Umsetzung von SDGs go local lernen kann.

Bevor wir uns mit der Fra­ge der Umset­zung des ANK beschäf­ti­gen, soll zum Ein­stieg dar­ge­stellt wer­den, war­um dem ANK eine beson­de­re Bedeu­tung zukommt und wor­über es sich bei dem Pro­gramm über­haupt handelt.

Warum gibt es das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz (ANK)?

Das welt­wei­te Arten­ster­ben, oder die dar­aus resul­tie­ren­de Bio­di­ver­si­täts­kri­se, und die Kli­ma­kri­se sind auf­grund einer lan­gen erd­ge­schicht­li­chen Ko-Evo­lu­ti­on von Bio­sphä­re und Atmo­sphä­re auf das Viel­fäl­tigs­te mit­ein­an­der ver­knüpft. Bei­de Kri­sen kumu­lie­ren und ver­stär­ken sich dadurch gegen­sei­tig (Lade et al. 2020). Dem Schutz und der Rege­ne­ra­ti­on der bio­lo­gi­schen Viel­falt kom­men neben dem Kli­ma­schutz dadurch auch eine beson­de­re Bedeu­tung für die Umwelt­sta­bi­li­tät unse­res Erd­sys­tems zu (Pört­ner et al. 2021). Umwelt­sta­bi­li­tät gilt als eine not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung für die Ent­wick­lung und den Bestand mensch­li­cher Zivi­li­sa­ti­on (Stef­fen et al. 2015).

Die­ser dar­aus her­vor­ge­hen­de Zusam­men­hang zwi­schen Kli­ma, Bio­di­ver­si­tät und Gemein­wohl wird auch im aktu­ell erschie­ne­nen Sach­stands­be­richt des IPCC (2022) her­vor­ge­ho­ben und dabei betont, dass die­sen Her­aus­for­de­run­gen nicht ein­zeln begeg­net, son­dern dass die­se nur zusam­men gedacht und nur zusam­men gelöst wer­den kön­nen. Einen in die­sem Sin­ne rich­tungs­wei­sen­den Ansatz für Deutsch­land stellt dabei das 2022 vor­ge­stell­te „Akti­ons­pro­gramm natür­li­cher Kli­ma­schutz“ des Bun­des­um­welt­mi­nis­te­ri­ums (BMUV) dar.

Welche Handlungsfelder und Maßnahmen sind darin vorgesehen?

Da ANK sieht zehn wesent­li­che Hand­lungs­fel­der, in denen der Natür­li­che Kli­ma­schutz in den kom­men­den Jah­ren vor­an­ge­bracht wer­den soll:

  1. Schutz intak­ter Moo­re und Wiedervernässungen
  2. Natur­na­her Was­ser­haus­halt mit leben­di­gen Flüs­sen, Seen und Auen
  3. Mee­re und Küsten
  4. Wild­nis und Schutzgebiete
  5. Wald­öko­sys­te­me
  6. Böden als Kohlenstoffspeicher
  7. Natür­li­cher Kli­ma­schutz auf Sied­lungs- und Verkehrsflächen
  8. Daten­er­he­bung, Moni­to­ring, Model­lie­rung und Berichterstattung
  9. For­schung und Kompetenzaufbau
  10. Zusam­men­ar­beit in der EU und international

Inner­halb die­ser Hand­lungs­fel­der wer­den ins­ge­samt 64 Maß­nah­men vor­ge­schla­gen. Die­se rei­chen von der Aus­ar­bei­tung kon­kre­ter Akti­ons­plä­ne für Rena­tu­rie­rungs- und Schutz­maß­nah­men über Aus- und Wei­ter­bil­dungs­an­ge­bo­te sowie För­der­pro­gram­me für loka­le Akteu­re hin zur Novel­lie­rung recht­li­cher Instru­men­te und Geset­ze bis zur Schaf­fung von Monitoringmaßnahmen. 

Die dadurch ange­sto­ße­ne Trans­for­ma­ti­on zu einer nach­hal­ti­gen Lebens- und Wirt­schafts­wei­se hat Aus­wir­kun­gen auf vie­le Lebens­be­rei­che der Men­schen. Damit die Maß­nah­men des ANK lang­fris­tig wir­ken kön­nen, ist neben wei­te­ren Aspek­ten wäh­rend des gesam­ten Pro­zes­ses ein inten­si­ver Dia­log mit allen rele­van­ten Akteu­ren und Wissensträger*innen vor Ort erforderlich.

Wie gelingt eine Maßnahmenumsetzung vor Ort?

Das Pro­jekt SDGs go local von Blue­pin­gu e.V. führt die­sen par­ti­zi­pa­ti­ven Dia­log in der Regi­on Nürn­berg und Nürn­ber­ger Land seit meh­re­ren Jah­ren erfolg­reich. Der Fokus liegt hier­bei in der Ver­an­ke­rung und Imple­men­tie­rung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele.

Die bei der Ver­mitt­lung und Umset­zung kon­kre­ter Nach­hal­tig­keits­pro­jek­te gewon­ne­ne Erfah­rung kann aus Sicht des Ver­fas­sers in idea­ler Wei­se dazu die­nen, die im ANK for­mu­lier­ten Zie­le und Maß­nah­men vor Ort anzu­do­cken und in Form kon­kre­ter Pro­jek­te in die Umwand­lung zu bringen:

  • Beim ANK als auch bei den SDGs han­delt es sich um über­ge­ord­ne­te, zum Teil abs­trak­te, Ent­wick­lungs­zie­le, die vor Ort in die Umset­zung gebracht wer­den sollen.
  • Bei­de Kon­zep­te grün­den auf pull-Maß­nah­men und fol­gen den Prin­zi­pi­en von Frei­wil­lig­keit und För­de­rung anstel­le von Regu­la­ti­on oder Restriktion.
  • Par­ti­zi­pa­ti­ver Dia­log und Wis­sens­trans­fer in bei­de Rich­tun­gen sind zen­tra­le Bausteine.

Die Annah­me einer metho­di­schen Ana­lo­gie bei­der Vor­ha­ben scheint des­halb begrün­det und eine Berück­sich­ti­gung der „Les­sons lear­ned“ aus SDGs go local bie­tet sich somit an. 

Aus durch­ge­führ­ten Inter­views (Schmied, 2022) und als Ergeb­nis eines Work­shops zum The­ma konn­ten, wie in der Abbil­dung unten dar­ge­stellt, 21 Fak­to­ren für eine erfolg­rei­che Umset­zung von Nach­hal­tig­keits­pro­jek­ten aus­ge­macht wer­den, zuge­ord­net zu den Clus­tern Kom­mu­ni­ka­ti­on, Par­ti­zi­pa­ti­on, Offen­heit, Lösungs­de­sign und Resilienz:

Les­sons lear­ned aus SDGs go local für eine erfolg­rei­che Umset­zung des ANK vor Ort

Kom­mu­ni­ka­ti­on:
Als beson­ders wich­tig für eine erfolg­rei­che Ver­an­ke­rung und Umset­zung der Nach­hal­tig­keits­zie­le im Kon­text des ANK wird eine gute Außen­kom­mu­ni­ka­ti­on (Öffent­lich­keits­ar­beit) ange­se­hen. Die­se soll­te neben einer inhalt­li­chen Ver­mitt­lung der Grün­de und Inhal­te des ANK mit Hil­fe regio­nal­schar­fer und ziel­grup­pen­spe­zi­fi­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on auch ent­spre­chen­de posi­ti­ve Leit­bil­der und Nar­ra­ti­ve trans­por­tie­ren. Ins­be­son­de­re die pro-akti­ve Ein­be­zie­hung regio­na­ler Pres­se hat sich als hilf­reich erwiesen.

Par­ti­zi­pa­ti­on:
Eben­so ist ein par­ti­zi­pa­ti­ver Pro­jekt­auf­satz von Bedeu­tung. Hier­bei soll­ten vor­han­de­ne regio­na­le Netz­wer­ke, Natur­schutz­bünd­nis­se wie Ver­ei­ne von Beginn an aktiv ein­be­zo­gen wer­den, um einem mög­li­chen „gegen­ein­an­der“ und „Kom­pe­tenz­ge­ran­gel“ aktiv zu begeg­nen. Eine Stake­hol­der-ana­ly­se zu Beginn bie­tet einen guten Start­punkt, wel­che wei­te­ren Akteu­re (Bür­ger­meis­ter, Ver­wal­tun­gen, regio­na­le Exper­ten, etc.) dar­über hin­aus mit ein­ge­la­den / ein­be­zo­gen wer­den soll­ten.  Wich­tig ist hier­bei die Beto­nung, dass alle Inter­es­sier­ten in ihren pri­va­ten oder beruf­li­chen Rol­len, mit all ihren Fähig­kei­ten und Stär­ken berück­sich­tigt wer­den, so dass, ein mög­lichst brei­ter Quer­schnitt an Men­schen aus der Regi­on par­ti­zi­pie­ren kann.

Offen­heit:
Die­ser par­ti­zi­pa­ti­ve Ansatz ist eng ver­knüpft mit einer Offen­heit gegen­über Men­schen wie bei der inhalt­li­chen regio­nal­spe­zi­fi­schen Kon­kre­ti­sie­rung der im ANK vor­ge­schla­ge­nen Maß­nah­men. Von wesent­li­cher Bedeu­tung ist hier­bei ein respekt­vol­ler und wert­schät­zen­der Umgang mit allen Akteu­ren. Eng ver­bun­den mit den Aspek­ten von Kom­mu­ni­ka­ti­on und Par­ti­zi­pa­ti­on ist das Ver­las­sen der Nach­hal­tig­keits­bla­se, um so offen für Men­schen zu sein, wel­che bis­lang kei­ne Aus­ein­an­der-set­zung mit den The­men­fel­dern Kli­ma­schutz oder Nach­hal­tig­keit hat­ten, und dar­über einen kon­struk­ti­ven und posi­ti­ven Zugang zu ermög­li­chen. Auch ist auf eine brei­te Varia­bi­li­tät von Ange­bo­ten zur Pro­jekt­be­tei­li­gung zu ach­ten, um hier eine Nie­der­schwel­lig­keit zu errei­chen (jed­we­de Unter­stüt­zung ist zu jeder Zeit willkommen).

Lösungs­de­sign:
Ein wei­te­rer wich­ti­ger Aspekt liegt in der Aus­ge­stal­tung des Lösungs­de­signs. Zusam­men mit regio­na­len Experten*innen und Akteu­ren (Natur­parks, Gemein­den, etc.) soll­te zu Beginn des Pro­zes­ses ein sys­te­ma­ti­sches Map­ping sowie eine Poten­ti­al­ana­ly­se von Flä­chen, wel­che sich für ANK Maß­nah­men poten­zi­ell anbie­ten, durch­ge­führt wer­den.  Auf die­ser Grund­la­ge soll­ten kon­text­spe­zi­fi­sche und kon­kre­te Maß­nah­men zusam­men mit den jewei­li­gen Flä­chen­eig­nern erar­bei­tet wer­den, so dass die­se von Beginn an ein­ge­bun­den wer­den und sich als mit­ver­ant­wort­lich und selbst­wirk­sam wahr­neh­men kön­nen. Beson­ders wich­tig ist es dabei bereits im Vor­feld sol­cher Gesprä­che mög­li­che Win-Win-Situa­tio­nen für alle Akteu­re zu durch­den­ken und wenn immer mög­lich anzu­stre­ben. Die Fra­ge­stel­lung soll­te dabei lau­ten: was könn­te dem jewei­li­gen Akteur auf­grund sei­ner ganz eige­nen Ziel­set­zung (Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen) beson­ders wich­tig sein („was habe ich davon“), um ein nach­hal­ti­ger Akteur und Für­spre­cher für eine Maß­nah­me zu wer­den?  Von ent­schei­den­der Bedeu­tung ist es auch, trotz und wegen aller Offen­heit und Par­ti­zi­pa­ti­on sich bei der Lösungs­fin­dung nicht in eine Dis­kus­si­on über ein „war­um“ der Maß­nah­men ver­stri­cken zu las­sen, son­dern dass „wie“ einer Umset­zung im Mit­tel­punkt zu hal­ten. Die Erfah­rung zeigt, dass ins­be­son­de­re bei Nach­hal­tig­keits­the­ma­ti­ken oft­mals über­pro­por­tio­nal viel Zeit und Ener­gie mit Men­schen („Brem­ser“) auf­ge­wandt wird, die einer Trans­for­ma­ti­on ableh­nend bis irra­tio­nal gegen­über­ste­hen und zu wenig Zeit und Auf­merk­sam­keit mit, der meist über­wie­gen­den Zahl, an Akteu­ren („Löser“), die sich ziel­ori­en­tiert und kon­struk­tiv an der Aus­ar­bei­tung und Umset­zung
(„yes, we can do“) beteiligen.

Quel­le: Wiki­me­dia Commons

Resi­li­enz:
Zuletzt soll noch ein Wort über den Aspekt der Resi­li­enz ver­lo­ren wer­den. Gera­de bei Umwelt­the­men, die zumeist eine Viel­zahl von Ziel­kon­flik­ten auf­grund der vie­len betrof­fe­nen diver­gie­ren­den Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen mit sich brin­gen ist es von Bedeu­tung, sich der­ar­ti­ge Ziel­kon­flik­te und damit ein­her-gehen­de Wider­stän­de mög­lichst von vorn­her­ein bewusst zu machen und zu ana­ly­sie­ren. So kann bei deren Auf­tre­ten zeit­nah und ange­mes­sen reagiert und so Frus­tra­ti­on unter den Akteu­ren redu­ziert wer­den. In ande­ren Wor­ten: Wider­stän­de oder Schwie­rig­kei­ten soll­ten als Teil des Aus­hand­lungs­pro­zes­ses erwar­tet und als „nor­mal“ und Teil eines beglei­ten­den Lern­pro­zes­ses („con­ti­nuous impro­ve­ment“) betrach­tet wer­den. Resi­li­enz hat neben dem Aspekt der Wider­stands­fä­hig­keit auch den Aspekt der Anpas­sungs­fä­hig­keit. Ent­spre­chend soll­ten Lösungs­an­sät­ze nicht in Stein gemei­ßelt, son­dern wenn not­wen­dig auch hin­ter­fragt und gege­be­nen­falls adap­tiert wer­den, ohne jedoch dabei das ursprüng­li­che Ziel aus den Augen zu ver­lie­ren. Ein nicht zu über­schät­zen­der Aspekt für das Gelin­gen von Trans­for­ma­ti­on ist es, dran und dabei zu blei­ben. Die Bret­ter, die dabei gebohrt wer­den, sind dick, sehr dick. Sie bestehen neben vie­len Jah­res­rin­gen aus wider­strei­ten­den Ein­zel­in­ter­es­sen, auch aus Unwis­sen­heit, Gewohn­heit, Bequem­lich­keit und Unsi­cher­heit. Dies soll­te man sich trotz der offen­sicht­li­chen Dring­lich­keit des Kli­ma- und Bio­di­ver­si­täts­schut­zes allein aus Grün­den eines nach­hal­ti­gen Umgangs mit der eige­nen Resi­li­enz immer wie­der vor Augen füh­ren.
Abha­ken, durch­at­men, weitermachen.


Die Umset­zung des Akti­ons­pro­gramms natür­li­cher Kli­ma­schutz unter­stützt nicht nur die Umset­zung der Nach­hal­tig­keits­zie­le 13, 14 und 15. Letz­ten Endes geht es auch um unse­re Ernäh­rung sowie die Ver­sor­gung mit sau­be­rem Trink­was­ser, und damit um die SDGs 2, 3 und 6. Wie alle gro­ßen Zie­le braucht es für die Umset­zung des ANK star­ke Partnerschaften: