Ein Gastbeitrag von Stefan Schmied, M. Sc. Umweltwissenschaften
Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz (ANK):
Was man für eine erfolgreiche Umsetzung von SDGs go local lernen kann.
Bevor wir uns mit der Frage der Umsetzung des ANK beschäftigen, soll zum Einstieg dargestellt werden, warum dem ANK eine besondere Bedeutung zukommt und worüber es sich bei dem Programm überhaupt handelt.
Warum gibt es das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz (ANK)?
Das weltweite Artensterben, oder die daraus resultierende Biodiversitätskrise, und die Klimakrise sind aufgrund einer langen erdgeschichtlichen Ko-Evolution von Biosphäre und Atmosphäre auf das Vielfältigste miteinander verknüpft. Beide Krisen kumulieren und verstärken sich dadurch gegenseitig (Lade et al. 2020). Dem Schutz und der Regeneration der biologischen Vielfalt kommen neben dem Klimaschutz dadurch auch eine besondere Bedeutung für die Umweltstabilität unseres Erdsystems zu (Pörtner et al. 2021). Umweltstabilität gilt als eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung und den Bestand menschlicher Zivilisation (Steffen et al. 2015).
Dieser daraus hervorgehende Zusammenhang zwischen Klima, Biodiversität und Gemeinwohl wird auch im aktuell erschienenen Sachstandsbericht des IPCC (2022) hervorgehoben und dabei betont, dass diesen Herausforderungen nicht einzeln begegnet, sondern dass diese nur zusammen gedacht und nur zusammen gelöst werden können. Einen in diesem Sinne richtungsweisenden Ansatz für Deutschland stellt dabei das 2022 vorgestellte „Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz“ des Bundesumweltministeriums (BMUV) dar.
Welche Handlungsfelder und Maßnahmen sind darin vorgesehen?
Da ANK sieht zehn wesentliche Handlungsfelder, in denen der Natürliche Klimaschutz in den kommenden Jahren vorangebracht werden soll:
- Schutz intakter Moore und Wiedervernässungen
- Naturnaher Wasserhaushalt mit lebendigen Flüssen, Seen und Auen
- Meere und Küsten
- Wildnis und Schutzgebiete
- Waldökosysteme
- Böden als Kohlenstoffspeicher
- Natürlicher Klimaschutz auf Siedlungs- und Verkehrsflächen
- Datenerhebung, Monitoring, Modellierung und Berichterstattung
- Forschung und Kompetenzaufbau
- Zusammenarbeit in der EU und international
Innerhalb dieser Handlungsfelder werden insgesamt 64 Maßnahmen vorgeschlagen. Diese reichen von der Ausarbeitung konkreter Aktionspläne für Renaturierungs- und Schutzmaßnahmen über Aus- und Weiterbildungsangebote sowie Förderprogramme für lokale Akteure hin zur Novellierung rechtlicher Instrumente und Gesetze bis zur Schaffung von Monitoringmaßnahmen.
Die dadurch angestoßene Transformation zu einer nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise hat Auswirkungen auf viele Lebensbereiche der Menschen. Damit die Maßnahmen des ANK langfristig wirken können, ist neben weiteren Aspekten während des gesamten Prozesses ein intensiver Dialog mit allen relevanten Akteuren und Wissensträger*innen vor Ort erforderlich.
Wie gelingt eine Maßnahmenumsetzung vor Ort?
Das Projekt SDGs go local von Bluepingu e.V. führt diesen partizipativen Dialog in der Region Nürnberg und Nürnberger Land seit mehreren Jahren erfolgreich. Der Fokus liegt hierbei in der Verankerung und Implementierung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele.
Die bei der Vermittlung und Umsetzung konkreter Nachhaltigkeitsprojekte gewonnene Erfahrung kann aus Sicht des Verfassers in idealer Weise dazu dienen, die im ANK formulierten Ziele und Maßnahmen vor Ort anzudocken und in Form konkreter Projekte in die Umwandlung zu bringen:
- Beim ANK als auch bei den SDGs handelt es sich um übergeordnete, zum Teil abstrakte, Entwicklungsziele, die vor Ort in die Umsetzung gebracht werden sollen.
- Beide Konzepte gründen auf pull-Maßnahmen und folgen den Prinzipien von Freiwilligkeit und Förderung anstelle von Regulation oder Restriktion.
- Partizipativer Dialog und Wissenstransfer in beide Richtungen sind zentrale Bausteine.
Die Annahme einer methodischen Analogie beider Vorhaben scheint deshalb begründet und eine Berücksichtigung der „Lessons learned“ aus SDGs go local bietet sich somit an.
Aus durchgeführten Interviews (Schmied, 2022) und als Ergebnis eines Workshops zum Thema konnten, wie in der Abbildung unten dargestellt, 21 Faktoren für eine erfolgreiche Umsetzung von Nachhaltigkeitsprojekten ausgemacht werden, zugeordnet zu den Clustern Kommunikation, Partizipation, Offenheit, Lösungsdesign und Resilienz:
Kommunikation:
Als besonders wichtig für eine erfolgreiche Verankerung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele im Kontext des ANK wird eine gute Außenkommunikation (Öffentlichkeitsarbeit) angesehen. Diese sollte neben einer inhaltlichen Vermittlung der Gründe und Inhalte des ANK mit Hilfe regionalscharfer und zielgruppenspezifischer Kommunikation auch entsprechende positive Leitbilder und Narrative transportieren. Insbesondere die pro-aktive Einbeziehung regionaler Presse hat sich als hilfreich erwiesen.
Partizipation:
Ebenso ist ein partizipativer Projektaufsatz von Bedeutung. Hierbei sollten vorhandene regionale Netzwerke, Naturschutzbündnisse wie Vereine von Beginn an aktiv einbezogen werden, um einem möglichen „gegeneinander“ und „Kompetenzgerangel“ aktiv zu begegnen. Eine Stakeholder-analyse zu Beginn bietet einen guten Startpunkt, welche weiteren Akteure (Bürgermeister, Verwaltungen, regionale Experten, etc.) darüber hinaus mit eingeladen / einbezogen werden sollten. Wichtig ist hierbei die Betonung, dass alle Interessierten in ihren privaten oder beruflichen Rollen, mit all ihren Fähigkeiten und Stärken berücksichtigt werden, so dass, ein möglichst breiter Querschnitt an Menschen aus der Region partizipieren kann.
Offenheit:
Dieser partizipative Ansatz ist eng verknüpft mit einer Offenheit gegenüber Menschen wie bei der inhaltlichen regionalspezifischen Konkretisierung der im ANK vorgeschlagenen Maßnahmen. Von wesentlicher Bedeutung ist hierbei ein respektvoller und wertschätzender Umgang mit allen Akteuren. Eng verbunden mit den Aspekten von Kommunikation und Partizipation ist das Verlassen der Nachhaltigkeitsblase, um so offen für Menschen zu sein, welche bislang keine Auseinander-setzung mit den Themenfeldern Klimaschutz oder Nachhaltigkeit hatten, und darüber einen konstruktiven und positiven Zugang zu ermöglichen. Auch ist auf eine breite Variabilität von Angeboten zur Projektbeteiligung zu achten, um hier eine Niederschwelligkeit zu erreichen (jedwede Unterstützung ist zu jeder Zeit willkommen).
Lösungsdesign:
Ein weiterer wichtiger Aspekt liegt in der Ausgestaltung des Lösungsdesigns. Zusammen mit regionalen Experten*innen und Akteuren (Naturparks, Gemeinden, etc.) sollte zu Beginn des Prozesses ein systematisches Mapping sowie eine Potentialanalyse von Flächen, welche sich für ANK Maßnahmen potenziell anbieten, durchgeführt werden. Auf dieser Grundlage sollten kontextspezifische und konkrete Maßnahmen zusammen mit den jeweiligen Flächeneignern erarbeitet werden, so dass diese von Beginn an eingebunden werden und sich als mitverantwortlich und selbstwirksam wahrnehmen können. Besonders wichtig ist es dabei bereits im Vorfeld solcher Gespräche mögliche Win-Win-Situationen für alle Akteure zu durchdenken und wenn immer möglich anzustreben. Die Fragestellung sollte dabei lauten: was könnte dem jeweiligen Akteur aufgrund seiner ganz eigenen Zielsetzung (Partikularinteressen) besonders wichtig sein („was habe ich davon“), um ein nachhaltiger Akteur und Fürsprecher für eine Maßnahme zu werden? Von entscheidender Bedeutung ist es auch, trotz und wegen aller Offenheit und Partizipation sich bei der Lösungsfindung nicht in eine Diskussion über ein „warum“ der Maßnahmen verstricken zu lassen, sondern dass „wie“ einer Umsetzung im Mittelpunkt zu halten. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere bei Nachhaltigkeitsthematiken oftmals überproportional viel Zeit und Energie mit Menschen („Bremser“) aufgewandt wird, die einer Transformation ablehnend bis irrational gegenüberstehen und zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit mit, der meist überwiegenden Zahl, an Akteuren („Löser“), die sich zielorientiert und konstruktiv an der Ausarbeitung und Umsetzung
(„yes, we can do“) beteiligen.
Resilienz:
Zuletzt soll noch ein Wort über den Aspekt der Resilienz verloren werden. Gerade bei Umweltthemen, die zumeist eine Vielzahl von Zielkonflikten aufgrund der vielen betroffenen divergierenden Partikularinteressen mit sich bringen ist es von Bedeutung, sich derartige Zielkonflikte und damit einher-gehende Widerstände möglichst von vornherein bewusst zu machen und zu analysieren. So kann bei deren Auftreten zeitnah und angemessen reagiert und so Frustration unter den Akteuren reduziert werden. In anderen Worten: Widerstände oder Schwierigkeiten sollten als Teil des Aushandlungsprozesses erwartet und als „normal“ und Teil eines begleitenden Lernprozesses („continuous improvement“) betrachtet werden. Resilienz hat neben dem Aspekt der Widerstandsfähigkeit auch den Aspekt der Anpassungsfähigkeit. Entsprechend sollten Lösungsansätze nicht in Stein gemeißelt, sondern wenn notwendig auch hinterfragt und gegebenenfalls adaptiert werden, ohne jedoch dabei das ursprüngliche Ziel aus den Augen zu verlieren. Ein nicht zu überschätzender Aspekt für das Gelingen von Transformation ist es, dran und dabei zu bleiben. Die Bretter, die dabei gebohrt werden, sind dick, sehr dick. Sie bestehen neben vielen Jahresringen aus widerstreitenden Einzelinteressen, auch aus Unwissenheit, Gewohnheit, Bequemlichkeit und Unsicherheit. Dies sollte man sich trotz der offensichtlichen Dringlichkeit des Klima- und Biodiversitätsschutzes allein aus Gründen eines nachhaltigen Umgangs mit der eigenen Resilienz immer wieder vor Augen führen.
Abhaken, durchatmen, weitermachen.
Die Umsetzung des Aktionsprogramms natürlicher Klimaschutz unterstützt nicht nur die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele 13, 14 und 15. Letzten Endes geht es auch um unsere Ernährung sowie die Versorgung mit sauberem Trinkwasser, und damit um die SDGs 2, 3 und 6. Wie alle großen Ziele braucht es für die Umsetzung des ANK starke Partnerschaften: