Wenn man an einem Misthaufen die Fliegen zählen kann;
wenn kaum noch jemand weiß, wie ein Tagpfauenauge aussieht;
wenn man keine wilden Hagebutten mehr für Hagebuttenmus sammeln kann;
wenn man sich an lauen Sommerabenden schon über fünf Glühwürmchen freut;
wenn auf Waldlichtungen keine Weidenröschen blühen;
wenn von ehemals tausenden Kröten nur noch wenige hundert Tiere übrig sind
und wenn Wiesen nur noch grün sind, und man für das Grundschulprojekt „Wiese“ keine Wiese mehr findet, auf der man Kindern Schafgarbe, Wilde Möhre und Storchschnabel zeigen kann…
.…
spätestens dann ist klar:
Das Artensterben findet nicht nur irgendwo anders statt,
sondern längst auch hier bei uns, vor Ort.
Das leise Verschwinden
Dass Tier- und Pflanzenarten verschwinden, merken wir im Alltag kaum. Es passiert relativ unauffällig. Erst verringert sich einfach nur die Anzahl, dann sind sie plötzlich verschwunden. Sichtbar wird das erst durch langjährige Studien. So belegte die Krefelder Studie (erschienen 2017, wissenschaftliche Veröffentlichung) erstmals den dramatischen Rückgang von 75 bis 80 % der Insektenmasse in einem Zeitraum von 27 Jahren – in Naturschutzgebieten! Eine deutschlandweite Studie der Leopoldina zeigt einen Insektenrückgang zwischen 2008 und 2017 um 64 % bezogen auf die Biomasse und auf Grasland und 41 % in den Wäldern. Diese Zahlen zeigen ein erschreckendes Bild, und das nur im Zusammenhang mit Fluginsekten – wir erleben ein Massenaussterben an Arten, eine Biodiversitätskrise. Es besteht also dringender Handlungsbedarf!
SDG 15: Leben an Land
So unscheinbar der Titel des SDG 15 um die Ecke kommt, so groß sind die Aufgaben, die sich dahinter verbergen. Es geht um nichts weniger als:
“Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern,
Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen,
Bodendegradation beenden und umkehren
und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende setzen.”
(Quelle: 17ziele.de)
An Absichtserklärungen, Vereinbarungen und Gesetzen zum Schutz der Biodiversität mangelt es nicht. In den letzten 30 Jahren ist einiges dazu beschlossen worden, u. a. (Liste nicht vollständig):
1992: UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention of Biodiversity, CBD)
2007: Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) = Biodiversitätsstrategie
2011: UN-Dekade der Biologischen Vielfalt
2011: Bundesprogramm Biologische Vielfalt, unterstützt die Umsetzung von NBS
2015: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung und daraus folgende deutsche Nachhaltigkeitsstrategie
2021: UN-Dekade zur Wiederherstellung der Biodiversität, “Decade of Action”
…
Im Rahmen all dieser Erklärungen und Vereinbarungen bekundeten viele Politiker*innen die Absicht, das Artensterben zu stoppen. Zahlreiche Menschen, viele Vereine, Institutionen und Organisationen setzen sich seit Jahrzehnten mit sehr großem Engagement für den Schutz der Biodiversität ein. Trotzdem geht das Artensterben ungebremst weiter.
Warum?
Weil alle Erfolge im Vergleich zu dem, was weiterhin zerstört wird, viel zu klein sind.
Weil Artenschutz nicht in der Fläche stattfindet, sondern auf bestimmte Orte festgelegt und somit aus unserem alltäglichen Handeln ausgeklammert wird.
Weil anderes immer als wichtiger gilt.
Weil es an Bewusstsein dafür fehlt, welch hohe Bedeutung Artenvielfalt hat.
Ganz abgesehen davon, dass die Welt ohne diese vielen Lebewesen eine sehr viel traurigere und langweiligere wäre, geht es um sehr viel mehr als nur um die Liebhaberei von Artenschützer*innen zu einer seltenen Orchidee oder einem kleinen Schmetterling.
Die Biodiversitätskrise ist nicht einfach nur die kleine Schwester der Klimakrise, sondern von ebenso fundamtentaler Bedeutung. Oder um es mit den drastischen Worten der beiden ZEIT-Autoren Fritz Habekuß und Bernd Ulrich zu sagen:
“Keine Art kann allein existieren, auch nicht der Mensch. Mit jeder ausgerotteten Spezies gefährdet er sein eigenes Überleben. Was die Evolution in Millionen Jahren hervorgebracht hat, wird in wenigen Jahrzehnten ausgerottet. Die Rückwirkungen dieses großen Sterbens auf das große, nackte Tier namens Mensch sind dramatisch.
Und dennoch:
Das Jahrhundertthema Artensterben führt eine Randexistenz in der Öffentlichkeit und erst recht in der Politik. Wie kann das sein, wie kann etwas so Fundamentales, Existenzielles derart marginalisiert werden?”
(Quelle: Biodiversität: Unser Aussterben. ZEIT-ONLINE, 24. November 2021)
Engagierte Bürger*innen im Hammerbachtal und die Gemeinde Offenhausen wollen sich nun zusammentun, und ganz nach dem Motto der “Decade of Action” gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und sich für mehr Biodiversität
in ihrem schönen Tal einsetzen.
Der erste notwendige Schritt dafür ist der Austausch…
(…mehr Infos dazu demnächst hier).
Alle Fotos in diesem Beitrag entstanden in einem Naturgarten in der Gemeinde Offenhausen. Ausnahmen: Beitragsbild Feldweggraben bei Egensbach im Jahr 2018; Salbei in Südfrankreich; Erdkröte am Krötenzaun bei Püscheldorf.